Wörterbuch der Theaterpädagogik (erschienen 2003)

Hochschuldidaktik

H ist die Lehre von Bildungsinhalten und ihrer Vermittlung in Institutionen des tertiären Sektors und hat eine methodische Nähe zur Erwachsenenbildung, aber auch zur Psychologie (Analyse von Lernprozessen) und Soziologie (Analyse der Bildungsinstitutionen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen). H war en vogue in den 1970er Jahren. Hochschuldidaktische Arbeitsstellen, die sich zum Teil zu Zentren mausern konnten, schossen aus dem Boden wie Pilze nach einem warmen Herbstregen, und der Herbstregen war die Finanzierung des Hochschulausbaus. Bildungsreform hatte in der BRD oberste politische Priorität.

H wurde konzipiert als Ausbildungsreform und wissenschaftlich fundierte Studienreform, die diese Aufgaben durch Lehre und Forschung wahrzunehmen hat (vgl. Webler u.a.). Sie war ihrem eigenen Anspruch nach keine bloße Service-Einrichtung oder nur Stätte hochschulpädagogischer Beratung und Fortbildung für HochschullehrerInnen und TutorInnen, sondern Entwicklungs- und Innovationszentrum. Als ein wichtiges Studienreformkonzept galt das Projektorientierte Studium.

Bereits gegen Ende der 1970 Jahre war nicht nur als Reaktion auf die bildungspolitische Großwetterlage ein Paradigmenwechsel notwendig. Das Hochschulrahmengesetz von 1976 zeigte Wirkung: erhöhter Prüfungsdruck für die Studierenden, Heraufsetzung der Lehrdeputate und höhere Prüfungslasten für die Lehrenden, verstärkter Qualifikationsdruck auf den wissenschaftlichen Nachwuchs ließen die Kooperanten der H – und auf solche war sie mit ihrer partizipativen Strategie angewiesen – wegbrechen. Die Kapazitätsverordnung benachteiligte zudem solche Veranstaltungsformen, die hochschuldidaktischen Zielsetzungen entsprach (Team-Teaching, interdisziplinäre Kooperation in der Lehre, Betreuung von Praktika und Exkursionen bekamen einen Anrechnungsfaktor kleiner als 1).

Aus dem Konzept einer umfassenden strukturellen Studienreform wurde die Implementierung studienreformerischer Phasen in die bestehende Struktur (vgl. Tätigkeitsberichte des IZHD Hamburg).

Die Studieneingangsphase konnte im Einklang mit hochschulpolitischen Intentionen am nachhaltigsten reformiert werden. Der Zustrom studierwilliger Menschen floss ungehindert in die Universitäten und machte zumindest Orientierungsangebote in den Fachbereichen notwendig. Die Orientierungseinheiten, die nach und nach in fast allen Bereichen eingeführt werden konnten, bewahrten zudem wenigstens punktuell Elemente des projektorientierten Studiums, das als Ganzes nicht durchsetzbar blieb: Soziales Lernen, Reflexion des Hochschulbetriebs, erste Erkundungen der Berufspraxis.

Evaluation als wissenschaftliche Begleitung von Reformversuchen wurde ein Schwerpunkt der hochschuldidaktischen Arbeit, obgleich sie mit knapper werdenden Investitionen in den Bildungsbereich eher zur Auslese als zur Förderung von umfassenden Studienreformvorhaben diente. Dieses Feld wurde der H entzogen, als Evaluation zu Beginn der 1990er Jahre in eigenen Institutionen etabliert  wurde.

Der Aufbau hochschuldidaktischer Fortbildung begann ebenfalls in den 1980er Jahren. Hochschuldidaktische Aus- und Fortbildung bestimmte nach und nach programmatisch die H und machte die Qualität der Lehre zum zentralen Topos (vgl. Huber 1980).

Obgleich die Evaluation von Studiengängen und Fachbereichen in Eigenregie der Hochschulen Mängel in der Lehre benennbar und in seiner Verbreitung deutlich machte, blieb die Nachfrage nach hochschuldidaktischer Fortbildung durch Lehrende gering, insbesondere von statushohen Gruppen der Hochschulen, an denen die H selbst angesiedelt war. Demgegenüber war das Interesse an überregionaler und internationaler – organisiert in Tagungen, Konferenzen und Symposien – Thematisierung der Lehrqualität und ihren Verbesserungsmöglichkeiten groß. Die Arbeitsgemeinschaft für Hochschuldidaktik (AHD) und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft z.B. waren auf dieser Ebene erfolgreich und konnten sowohl hochkarätige Referenten wie Teilnehmer mobilisieren. Ganz entscheidend waren hierfür die Einbettung des Diskurses über Lehrqualität in die vorhandenen strukturellen und personellen Möglichkeiten an den Hochschulen, die Analyse der hochschulpolitischen Entwicklung, insbesondere des Verhältnisses von Staat und Hochschule und der internationale Brückenschlag.

Eine Bündelung der an vielen Stellen in den Hochschulen gewachsenen Initiativen zur Qualitätsverbesserung und -entwicklung zu einer Agentur der Hochschulentwicklung bietet eine Perspektive für eine H, die sich dann nicht mehr nur auf die Lehre, sondern auch auf die Forschung beziehen müsste, sowohl als Gegenstand wie als eigene Aufgabe (vgl. Knoll). Interdisziplinarität und Internationalität, das Lernen der Studierenden, die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses für internationale, vernetzte Wissenschaftsproduktion und die Erforschung transdisziplinärer Wissenschaftskommunikation könnten (teilweise wieder) focussiert werden. Hochschulforschung und -entwicklung am Ort und als Beratungsangebot überregional und vernetzt wären die zukunftsweisenden Kennzeichen einer H, die als zentrale Aufgabe die Förderung von Kreativität begreift.

H mit Bezug zur Forschungsentwicklung könnte Gestaltungskraft zurück gewinnen und aus dem nachrangigen Verhältnis zur Hochschulentwicklung, in das es durch die Vorrangstellung der Aus- und Fortbildung für HochschullehrerInnen geraten ist, heraustreten (vgl. Voegelin).

Der methodische Schwerpunkt hochschuldidaktischer Forschung liegt auf empirischen Analysen mit starker Betonung der Praxisrelevanz bzw. der Aktionsforschung. Die exemplarische Entwicklung, Erprobung und wissenschaftliche Begleitung von theoretisch konzipierten Reformelementen bestimmen ein Großteil der Forschungsvorhaben. Sie richten sich aber auch auf die grundlegenden Bedingungen und Prozesse von Studium und Lehre, besonders in den Themenfeldern der Berufs- und Hochschulsozialisationsforschung.

In der hochschuldidaktischen Lehre dominieren entsprechend teilnehmerorientierte und experimentelle Konzepte mit microteaching und praktischem Lernen z. B. als Simulationen im Bereich der Verhaltensmodifikation, Fallbesprechungen und Gruppendiskussionen in Seminaren, zur Persönlichkeitsentwicklung und Projektarbeit zur Integration von Theorie, praktischem Lernen und gruppendynamischem Training (vgl. Handbuch Hochschullehre). Der Einsatz neuer Medien ist zu einem eigenen hochschuldidaktischen Feld geworden, auf dem der Einsatz vielfältiger – über den Computer vernetzter – Medien erforscht und vermittelt wird (vgl. Schulmeister).

Erfahrungs- und problemlösendes Lernen haben auch Einfluss auf die Lehrgestaltung: Ein Zweistundenrhythmus verbietet sich bei praktischen Erprobungen von Lehrsequenzen und allen Formen theatralischer Arbeit. Mehrtägige Blockveranstaltungen sind oftmals Kennzeichen der hochschuldidaktischen Aus- und Fortbildung.

H ist unmodern, unmoderner als Theater in der Hochschullehre. Vielleicht hängt das mit der über die Jahre zunehmenden Verengung des Begriffs der H zusammen; wobei diese Verengung schon eine Reaktion auf die Desavouierung der H war. So will scheinen, wir befinden uns in einem circulus vitiosus, den zu durchbrechen eine Durchleuchtung notwendig macht. Obgleich die Fortbildung von Hochschullehrern und -lehrerinnen eine rechtlich prekäre Stellung hat und es – anders als in anderen Professionen – keine Verpflichtung in diese Richtung gibt, geht der Trend von einzelnen Fortbildungsseminaren zu Studiengängen  mit  vorgeschriebenen  Lerneinheiten, Wochenstunden  und Zertifizierung.

Die Theatralisierung von Lernprozessen gewinnt an Bedeutung – vor allem durch die Vernetzung der vorhandenen verstreuten Initiativen und ihre zunehmend internationale Ausrichtung (vgl. BülowSchramm; Koch).

Bülow-Schramm, Margret (Hg.): Theater mit der Lehre? Theater in die Lehre. Hamburg 1996; Handbuch Hochschullehre. Hg. v. Fachverlag für Wiss. Information. Bonn 2001; Huber, Ludwig (Hg.): Hochschuldidaktische Fortbildung für Hochschullehrer. Hamburg 1980; Ders.: An- und Aussichten der Hochschuldidaktik. In: Zs. für Pädagogik, 1999, H. 1; Knoll, Jörg: Hochschuldidaktik. In: Hanft, Anke (Hg.): Grundbegriffe des Hochschulmanagements. Neuwied, Kriftel 2001; Koch, Gerd (Hg.): Theatralisierung von Lehr-Lernprozessen. Berlin, Milow 1995; Schulmeister, Rolf: Grundlagen hypermedialer Lernsysteme. Bonn u. a. 1996; Tätigkeitsberichte des Internationalen Zentrums für Hochschuldidaktik: Hochschuldidaktik in Hamburg. Jürgen Bruhn, Wolfgang Schütte, Rolf Schulmeister, 1970–1981. Hamburg 1982; Margret Bülow-Schramm, Winfried Kahlke, Günter Ottersbach, 1982–1988. Hamburg 1989; Voegelin, Ludwig: Hochschulentwicklung – auch eine Aufgabe der Hochschuldidaktik? In: Entwicklung der Hochschule, studentischer Protest. Hat die Hochschuldidaktik dazu etwas zu sagen? Bremen 1989; Webler, Wolf-Dietrich/ Wildt, Johannes: Wissenschaft – Studium – Beruf. Hamburg 1979.

MARGRET BÜLOW-SCHRAMM

Deutsch als Fremdsprache – Didaktik – Experiment – Lebensbegleitendes Lernen – Projekt – Reformpädagogik – Theatralisierung (von Lehr- und Lernprozessen) – Werkstatt