Wörterbuch der Theaterpädagogik (erschienen 2003)

Happening

Das H als eine handlungsorientierte Aktionskunstform, in welcher das Publikum zum aktiven oder stillen Mitgestalter des Kunstwerks avanciert – von engl. to happen: passieren, sich ereignen –, ist Ende der 1950er Jahre aus Formen der Aktionsmalerei (japanische Gutaigruppe, Jackson Pollock) und multimedialen Experimenten des Komponisten John Cage mit Zufall, Alltagsgeräuschen und Improvisation hervorgegangen. H können in alltäglicher Umgebung (Keller, Natur, Straße) oder in Galerien, Museen und Theatern stattfinden. H-künstlerInnen legen mittels offener oder feingliedriger Aktionsnotationen den räumlich-zeitlichen   und   materiellen   Rahmen   für Handlungen fest, welche meist von nicht-professionellen SpielteilnehmerInnen improvisatorisch ausgeführt werden. Im H wird keine Rolle gespielt, sondern der Akt faktischen Handelns und Erlebens jenseits symbolischer oder mimetischer Evidenz betont. Der ,Rohzustand‘ des Agierens und die ,laienhafte‘ Teilnahme des Publikums bewirken eine gewisse Unbestimmtheit der Handlungen, die je nach Aktionspartitur und mentaler Ausrichtung der Teilnehmer spielerisch, experimentell oder aggressiv ausfallen. Das H ist mehr als das „Als-ob“ des Spiels und weniger als der vollzogene Tatbestand im wirklichen Leben, sondern ein von KünstlerInnen stimuliertes Interaktionsszenario, welches die körperlichen, sozialen, politischen und ästhetischen Empfindungen der Teilnehmenden testet und sensibilisiert. Im H wird die sonst nur KünstlerInnen vorbehaltene individuelle ästhetisch-praktische Erfahrung kollektiv und damit kommunizierund mitteilbar. Das H, das in den 1960er Jahren seine Blütezeit erlebte, wurde von Fluxus und Performance Art abgelöst. H-protagonisten sind u. a. Allan Kaprow, Al Hansen, Claes Oldenburg, Carolee Schneemann, Jean-Jacques Lebel, Wolf Vostell, Hermann Nitsch.

Schilling, Jürgen: Aktionskunst. Luzern, Frankfurt a. M. 1978; Schröder, Johannes L.: Identität Überschreitung/Verwandlung. Münster 1990.

MARIE-LUISE LANGE

Authentizität  –  Improvisation  –  Performance  – Theatralisierung (von Lehr- und Lernprozessen)