Wörterbuch der Theaterpädagogik (erschienen 2003)

Editorial

Im deutschen Sprachraum ist das Wörterbuch der Theaterpädagogik das erste Nachschlagewerk dieser Art. Seine Stichwörter reichen von ,Action Theater‘ bis ,ZuschauSpieler‘.

Das hier vorgelegte Wörterbuch wurde konzipiert als Arbeitsmittel zur Orientierung innerhalb des praxisbezogenen Sach- und Begriffsfelds Theaterpädagogik, das sich gerade in den letzten Jahren in einem beachtlichen Aufschwung befindet. Theaterpädagogik wird immer mehr als eigenständige Disziplin gewürdigt und in unterschiedlichen Organisationsweisen bzw. Ausbildungsgängen wahrgenommen.

Das Wörterbuch der Theaterpädagogik gibt einen Überblick über die Vielfalt theaterpädagogischer Ansätze, Methoden, Verfahrensweisen, deren theoretische Ausformulierungen und Geschichte(n). Es zeichnet Querverbindungen zu anderen Fächern, Disziplinen und Praxisfeldern nach und versucht von Fall zu Fall, unterschiedliche Entwicklungen in den ehemals beiden deutschen Staaten zu berücksichtigen. Zugleich sind Thematiken aufgenommen worden, die im internationalen Diskurs Bedeutsamkeit erlangt haben und die gewissermaßen zum allgemeinen theaterpädagogischen Wissensbestand gehören sollten, der sich jeweils spezifisch auf ‚mutter-/national-sprachlicher‘ Ebene realisiert.

Die Stichwort-AutorInnen entstammen unterschiedlichen Disziplinen. Das ist dem Gegenstand der Theaterpädagogik in Theorie und Praxis angemessen, die sich gegenwärtig teilweise noch als eine Integrations-Disziplin, -Wissenschaft und -Praxis darstellt. Die AutorInnen wählen den Zugang zur Gestaltung ihres Stichworts aus den Grundlagen ihres jeweiligen Fachs; sie wahren dessen Eigenkraft und haben in der Regel zusätzlich ein dynamisches und weites Verständnis davon, so dass sie zwischen den Polen Theater und Pädagogik sowie angrenzenden Disziplinen kompetent vermitteln können. In diesem Zusammenhang versteht sich das Wörterbuch als Teil eines theaterpädagogischen Forschungsprogramms.

Ein Wörterbuch unterscheidet sich vom Lexikon wie vom Handbuch bzw. einer Handreichung. Versucht ein Lexikon kurz und knapp (vermeintlich) gesichertes Wissen definitorisch zu fassen, so will traditionell ein Handbuch/eine Handreichung der unmittelbaren Anwendung dienen. Ein Wörter- buch ist etwa zwischen diesen beiden Ansätzen positioniert: Es liefert Fakten, will diese aber in einen historischen Ableitungszusammenhang stellen, Kontroversen in Theorie und Praxis skizzieren sowie Literatur zur weiteren Verständigung liefern. In der Regel sind alle Beiträge des Wörterbuchs der Theaterpädagogik in dieser Weise geschrieben worden. Gedanklicher Ausgangspunkt war immer die Aktualität des Phänomens; es ging aber darum, den gegenwärtigen Stand geschichtlich zu sehen. Ein so komponiertes Fach-Wörterbuch kann sich an LeserInnen ‚vom Fach‘ wenden und an Personen, die sich in einem argumentativen Kontext erst einmal einen informativen Zugang verschaffen wollen.

Herausgeberin und Herausgeber erhoffen sich mit diesem Wörterbuch, den begonnenen Dialog zwischen den Disziplinen, die das weite Feld Theaterpädagogik konstituieren bzw. in dieses hinein reichen, weiter zu fördern. Einige Phänomene allerdings sind noch so unsicher zwischen den verschiedenen Wissenschaften, Künsten und der Theaterpädagogik angesiedelt, dass Herausgeberin und Herausgeber den VerfasserInnen empfohlen haben, einen mehr essayistischen, d.h. einen versuchenden (!), versuchsweisen Zugriff beim Schreiben ihres Stichworts zu wählen.

Innerhalb eines jeden Beitrags sind Verweise auf andere Stichwörter des Wörterbuchs mit→ gekennzeichnet. Unter jeden Beitrag werden mögliche, die Thematik erweiternde Stichwort-Verweise angefügt, so dass ein integratives Lesen angeregt wird. Stichwörter, die aus zwei oder mehr sinntragenden Begriffen bestehen, werden mit ihren Teilbegriffen jeweils gesondert in die alphabetische Ordnung eingefügt (‚Theatertherapie‘ etwa findet man auch über den Suchbegriff ‚Therapie‘). Dem dreifachen Verständnis von ‚Stichwort‘ wird damit Genüge getan: Stichwörter sind Suchbegriffe in Nachschlagewerken; ein Stichwort ist das Wort, auf das hin eine Schauspielerin oder ein Schauspieler einsetzen muss; Stichwörter sind markierte Begriffe in der Rhetorik. Gemeinsam ist allen, dass sie sich in der Praxis bewähren müssen. Die zusammen mit dem Buch erhältliche CD-ROM soll dies unterstützen und ein fachliches Arbeiten erleichtern.

Im Beitrag wird das Stichwort nur abgekürzt angeführt. Theaterpädagogik wird abgekürzt zu ThP; theaterpädagogisch (mit seinen Varianten) wird zu thp. Ein Abkürzungsverzeichnis führt weitere Abkürzungen nebst Auflösungen an.

Die Kurzbiographien sind nicht separat platziert, sondern in die alphabetische Reihenfolge aller Stichwörter integriert worden und sie enthalten im Text Verweise auf andere Stichwort-Beiträge. Die Herausgeberin und der Herausgeber haben sich von dem Gedanken leiten lassen, dass BenutzerInnen sowohl einen biographisch-personellen als auch einen fachlich-systematischen Zugang zur Arbeit mit diesem Wörterbuch finden wollen. Jede Kurzbiographie liefert zuerst in wenigen Zeilen ein Biogramm der vorgestellten Person, dann folgt eine prägnante Formulierung ihrer theaterpädagogischen Position. Angefügt werden Angaben von fachrelevanten Publikationen der Person und daran anschließend eine Auswahl von Literatur über sie. Um schwierigen Fragen einer Wertung der Bedeutung einzelner Persönlichkeiten für Geschichte und Gegenwart des Fachs zu entgehen, wurden alle Kurzbiographien im Umfang strikt begrenzt. Hier besteht im Übrigen noch eine Aufgabe für die Forschung: das Schreiben der Geschichte der Theaterpädagogik in den Tätigkeiten ihrer ProtagonistInnen.

Mit gewisser Vorsicht sind Herausgeberin und Herausgeber an die Aufnahme von punktuellen Arbeitsbereichen, Feldern und/oder Trägern von Theaterpädagogik herangegangen, da sie sich schnell wandeln. Es wurde nur eine exemplarische Auswahl getroffen. Durch Überblicksartikel historischer und systematischer Art wurde dem Bedürfnis, hier mehr zu erfahren, nachgekommen.

Die den Stichwörtern angefügten Literaturhinweise sollen die Ausführungen in den Beiträgen belegen und auch über sie hinaus weisen; selbstredend stellen sie nur eine Auswahl dar. In der Regel wurde verzichtet, auf leicht zugängliche Fach-Lexika und Wörterbücher hinzuweisen. Die Korrespondenzen. Zeitschrift für Theaterpädagogik wird nur als ,Korrespondenzen‘ zitiert. In einigen Fällen sind Internet-Adressen zur Informationsergänzung eingefügt worden.

Die AutorInnen der Stichwort-Beiträge stammen überwiegend aus dem deutschen theaterpädagogischen Hintergrund. Es sind jedoch schon jetzt Beiträge aus Belgien, Irland, Kanada, Österreich, der Schweiz, den USA vertreten. Kurzauskünfte zu den BeiträgerInnen liefert das Autorinnen- und Autorenverzeichnis am Schluss des Wörterbuchs der Theaterpädagogik.

Marianne Streisand (Theaterwissenschaftlerin/Theaterpädagogin) und Gerd Koch (Erziehungswissenschaftler/Theaterpädagoge) leiten die Arbeitsstelle Wörterbuch der Theaterpädagogik an der Alice- Salomon-Fachhochschule Berlin. Weitere Mitglieder der Arbeitsstelle sind Frank König (Lektorat), Gabi Beier, Gabriela Naumann, Kathrin Meß (seit Oktober 2002), Anja Sczilinski (bis September 2002). Technische Mitarbeit leisteten Markus Hinz und Monika Pothenick (Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin).

Ihnen und den vielen kompetenten und kooperationsbereiten AutorInnen gilt der Dank der Herausgeberin und des Herausgebers für die produktive und beglückende Zusammenarbeit.

Für anregende, erweiternde, auch kritische Hinweise zum Wörterbuch-Projekt sind Herausgeberin und Herausgeber dankbar.

GERD KOCH / MARIANNE STREISAND