Wörterbuch der Theaterpädagogik (erschienen 2003)

Clownerie

Der Begriff geht wahrscheinlich auf den englischen clown (Bauer, Tölpel) zurück; er wird bereits bei Shakespeare als Bezeichnung für komische Figuren verwendet. Die Figur des Clowns hat viele Vorfahren: die Spaßmacher der antiken Dionysien, Satyrspiele, Saturnalien, den Arlecchino der Commedia dell’Arte, den Hanswurst der Fastnachtspiele und des Volkstheaters, den Kasperl des Puppenspiels. Unmittelbare Vorgänger des Zirkusclowns sind der Pierrot der französischen Funambules (z. B. Jan Gaspard Deburau) und der Clown der englischen Christmas Pantomimes (z. B. Joe Grimaldi). Als Ende des 18. Jhs. aus den Kunstreitertruppen der Zirkus hervorging, eroberte der Clown die Manege, anfangs vor allem als Komiker zu Pferde, dann mit eigenständigen Clownszenen.

C – neben Akrobatik und Dressur ein Hauptbestandteil des Zirkusprogramms – hat die Funktion, die durch sensationelle Tricks aufgebaute Spannung zu unterbrechen und aufzulockern. Der Clown, neben den früher üblichen Manegenschauspielen das stärkste Bindeglied zum Theater, ist die einzige Zirkusfigur, die eine Aussage über die Zeit und die Gesellschaft treffen kann. „Der wahre Clown vermittelt uns […] etwas von den ewigen Freuden und Leiden, von der Würde und den Schwächen des Menschen und verweist uns auf uns selbst. […] Er spielt keine Rolle, sondern er lebt sich selbst.“ (Borne 9) Die Komik des Clowns entsteht aus dem Widerspruch zwischen seinem Wollen und den unverhältnismäßigen Mitteln, den skurrilen Requisiten, der kindlichen Naivität, mit der er Problemen begegnet. „Beim Clown […] wird das Leichteste kompliziert, […] sein Beruf ist der unablässige Kampf gegen den universalen Weltwiderstand, den er […] magnetisch auf sich zu ziehen scheint.“ (Usinger o.J. 11) Dabei ist der Clown in der nationalen Tradition wie in der Gegenwart verwurzelt. Die Kunst des Clowns „muß, um die Inkarnation menschlichen Lebens zu sein, die bestimmte Welt des Jetzt und Hier aufnehmen“ (Barloewen 47).

Clowns werden nach den verwendeten artistischen Mitteln kategorisiert in Sprech-, Akrobatik-, Musical-, Dressur- und Pantomimeclowns. Nach der Art ihres Auftretens unterscheidet man Entréeclowns, die groß angelegte Clownszenen spielen, Reprisenclowns, die zwischen den artistischen Darbietungen mit kurzen Clownnummern, oft Parodien auf Zirkusnummern, auftreten, und Pistenoder Teppichclowns, die lediglich Umbaupausen mit Späßen überbrücken. Den nationalen Traditionen entsprechend gab bzw. gibt es Satireclowns, die unmittelbar auf Zeitereignisse und gesellschaftliche Probleme reagieren (v. a. in Russland, B. Anatoli und Wladimir Durow, Karandasch), Trampclowns, die die Figur des Outlaw aufnehmen (v. a. in den USA, z. B. Emmett Kelly, Linon), den Shakespearean Jester, der sich geistvoll sowohl über Literatur wie Zeitumstände ausließ. Eine große Rolle bis in die Gegenwart spielt das klassische Trio Weißclown, Clown und Dummer August, dessen unterschiedliche Typen die Gestaltung ausgefeilter Clownsszenen ermöglichen. Bekannte Vertreter waren die Fratellinis und die Chabris. Viele berühmte Clowns lassen sich allerdings nicht auf einen solchen Clowntyp festlegen, sondern entwickelten unverwechselbare Figuren, so Grock, Charlie Rivel, Dimitri, Oleg Popow, Pic, Fumagalli.

Gegenwärtig spielt zwar die C im traditionellen Zirkus keine herausragende Rolle, aber sie hat in den letzten Jahrzehnten andere Felder erobert, so die alternative Theaterszene, z. B. durch die von Jango Edwards ausgelöste Fools-Bewegung und eine Vielzahl von Clownstudios, die Amateure ausbilden, oder  die ,Cirque  Nouveau‘-Entwicklung  mit  Vertretern  wie ,Oz‘ und ,Cirque du Soleil‘, die eine Mischform von Theater und Zirkus darstellen und in denen die unterschiedlichen C-formen wesentlich das Programm bestimmen. Auch ,modernere‘ Zirkusse wie ,Roncalli‘ setzen auf einen großen Anteil von C im Programm. Als eigene Form hat sich die Bühnen-C entwickelt, eine Mischform von Theater, C und Comedy, eine ihrer bekanntesten Vertreterinnen ist Gardi Hutter. Ein völlig neuer Zweig sind die Klinikclowns, die vor allem auf Kinderstationen von Krankenhäusern mit ihrer Kunst aufheitern, die Fremdheit abbauen und damit den Heilungsprozess unterstützen: „Lachen ist eine Medizin, die jeder braucht, und wir sind Ärzte mit einer Tasche voll Lächeln.“ (Edwards 80)

Barloewen, Constantin von: Clown. Zur Phänomenologie des Stolperns. Königstein 1981; Borne, Roswitha von dem: Der Clown. Geschichte einer Gestalt. Stuttgart 1993; Dietl, Eduard: Clowns. München 1967; Edwards, Jango: Ich lebe dich. Basel 1983; Fried, Annette/Keller, Joachim: Identität und Humor. Eine Studie über den Clown. Frankfurt a. M. 1991; Dies.: Faszination Clown. Düsseldorf 1996; Koch, Gerd/Vaßen, Florian (Hg.): Lachund Clownstheater. Frankfurt a. M. 1991; Meincke, Joachim (Hg.): ClownSprechstunde. Lachen ist Leben. Bern 2000; Rémy, Tristan: Les Clowns. Paris 1945; Ders. (Hg.): Clownnummern. Köln 1964; Turra, Mario: Das Lachen des Clowns. Berlin 1972; Usinger, Fritz: Die geistige Figur des Clowns in unserer Zeit. Wiesbaden 1964; Ders.: Zur Metaphysik des Clowns. Offenbach o. J.

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