Wörterbuch der Theaterpädagogik
Arbeitsfelder der Theaterpädagogik

Eine systematische Betrachtung der AdT in Deutschland existiert erst seit der Entwicklung und Durchführung von qualifizierenden Aus- und Fortbildungsstrukturen, die seit 1980 von verschiedenen Hochschulen, thp Zentren und Fortbildungsinstituten aufgelegt werden (vgl. Jeske u. a.).

Das Erforschen des Berufsfeldspektrums erfolgte seit 1987 im Kontext der Bundestagungen und der Entwicklung einer Bildungskonzeption durch den Bundesverband Theaterpädagogik (vgl. Ruping u. a.). Mit der Aufnahme des Berufsstandes in die Blätter zur Berufskunde der Bundesanstalt für Arbeit (vgl. Schulze-Reimpell u. a.) und der damit verbundenen Darstellung der Berufslage und der Tätigkeitsfelder wird der Schritt in das organisierte Arbeitsfeldspektrum vollzogen. Es ist davon auszugehen, dass sich das Berufsfeld von ThP auch weiterhin ständig verändern wird und sich damit der Kanon möglicher Arbeitsfelder erweitert. Wir unterscheiden zur Zeit acht Kernarbeitsfelder, die sich in Teilen überschneiden oder weiter spezifizieren lassen.

  1. ThP an professionellen Theatern dient in erster Linie der Vor und Nachbereitung  von  Theater TheaterpädagogInnen wirken mit bei Spielplangestaltung, Erstellung von Begleitmaterialien sowie Durchführung von Sonderprogrammen und werblichen Maßnahmen (etwa Führungen). In den Jugendclubs werden Inszenierungen mit Jugendlichen oft in der Zusammenarbeit mit dem professionellen Stab des Theaters erarbeitet. Im Bereich der freien Theaterszene gehört ThP in großen Teilen zum inhaltlichen Konzept der Gruppen. Dabei sind künstlerisches und thp Arbeitsfeld weitgehend identisch.
  2. Die AdT in Kindergärten, Schulen und Volkshochschulen richten sich an die (alters-)spezifischen Zielgruppen und  ihr  jeweiliges   Im Kindergarten steht die spielpädagogische Arbeit mit Kindern im Vordergrund. Sie zielt auf die Entwicklung der Ausdrucksfähigkeit ebenso wie auf die Förderung des Sozialverhaltens und die Entwicklung persönlichkeitsbildender Faktoren von Kindern. ThP an Schulen vollzieht sich sowohl im Rahmen eines eigenständigen Unterrichtsfaches als auch innerhalb von Theaterarbeitsgemeinschaften und Projektwochen. Thp Methoden finden sich als spezifische Lernmethodik in fast allen Fächern des schulischen Fächerkanons. Innerhalb der Erwachsenenbildung finden wir AdT sowohl in koordinierenden Tätigkeiten als auch in der Weiterbildung  und Lehre.
  3. AdT an Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten dienen sowohl der curricularen Entwicklung der Studienund Ausbildungsangebote zur Theaterpädagogin/zum Theaterpädagogen, als auch dem Aufbau und der Erforschung der ThP als Handlungswissenschaft.
  4. AdT in außerschulischen kulturellen Bildungseinrichtungen spannen sich von der Mitarbeit in thp Zentren über Jugendkunstund Musikschulen bis zu Museen und Kulturzentren. Die besondere Qualität dieser thp Arbeit liegt in der Freiwilligkeit der Teilnehmer und in der zumeist experimentellen Disposition dieser Lernorte.
  5. AdT im Freizeitbereich beziehen sich auf die Durchführung von Spielund Theaterprojekten mit Kindern und Jugendlichen (Ferienfreizeiten) bis zu Animationsangeboten für Erwachsene in Urlaubszen Eine Sonderstellung nimmt das → Amateurtheater mit seinen zahlreichen Kinder-, Jugend- und Erwachsenentheatergruppen ein. Sowohl im Bereich der Spielleitung und Regie als auch im Rahmen eines bundeseinheitlichen Fortbildungsprogramms des Bundes Deutscher Amateurtheater e. V. bieten sich hier zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für TheaterpädagogInnen.
  6. AdT im sozialen Bereich finden wir in kommunalen, kirchlichen und sozialen Einrichtungen wie Jugendzentren und Bürgerhäusern, soziokulturellen Zentren, aber auch in Einrichtungen der Jugendhilfe, Justiz und Drogenberatung. Dabei handelt es sich schwerpunktmäßig um Integrations-, Präventions- und Resozialisierungsprojekte.
  7. AdT im therapeutischen Bereich und in den Gesundheitsberufen beziehen sich auf die Arbeit in Krankenhäusern, Rehabilitationszentren oder Im Mittelpunkt steht die physische oder psychische Gesundung des Menschen.
  8. Unter den AdT in der Wirtschaft versteht man einerseits das Training und Coaching von Führungskräften, andererseits auch den Einsatz des thp Instrumentariums zur Verbesserung der innerbetrieblichen Kommunikation oder der Vorbereitung komplexer Veränderungsprozesse innerhalb eines Betriebes sowie die Schauspiel- und Regiearbeit im Kontext eines bedarfsorientierten Unternehmenstheaters.

Im Schnittpunkt von künstlerischen und etablierten pädagogischen Berufsfeldern gewinnt der Beruf der Theaterpädagogin, des Theaterpädagogen sowohl gesellschaftlich als auch arbeitsmarktpolitisch zunehmend an Stellenwert (vgl. Schulze-Reimpell u. a.). Angesichts gesellschaftlicher Veränderungen im Wirtschafts-, Bildungs- und Sozialbereich werden sich die AdT trotz einschneidender Maßnahmen in den Kulturetats aufgrund ihrer kreativen Potenziale und humanen Ressourcen weiterentwickeln, sofern es den Aus- und Weiterbildungsinstitutionen gelingt, auf der Grundlage profilbildender Basiskompetenzen diesen dynamischen Prozess curricular zu begleiten. „Die Ausbildung sollte […] nicht die Entwicklung dieser Vielfalt durch Enge verhindern.“ (Ruping u. a.  129)

Hentschel, Ulrike/Koch, Gerd: Kerncurriculum Theaterpädagogik. In: Korrespondenzen, 1995, H. 23/24/25; Jeske, Marlis/Ruping, Bernd/Schöller, Eckard (Hg.): Geschichte(n) der Theaterpädagogik. Materialien zur 6. Bundestagung Theaterpädagogik in Lingen (Ems). Lingen 1992; Radermacher, Norbert: Berufsfelder der Theaterpädagogik in Europa. Lingen 2001; Richers, Christiane/Enge, Herbert (Hg.): Tätigkeitsfeld und Berufsbild der Theaterpädagogin und des Theaterpädagogen. Dokumentation der Bundestagung Theaterpädagogik 1987. Hamburg 1987; Ruping, Bernd/Schneider, Harald: Bildungskonzeption. In: Korrespondenzen, 1994, H. 19/20/21; Schulze-Reimpell, Werner/Jenisch, Jakob: Blätter zur Berufskunde: Regisseur/ Regisseurin, Dramaturg/Dramaturgin, Theaterpädagoge/ Theaterpädagogin. Hg. v. der Bundesanstalt für Arbeit. Nürnberg 1998.

NORBERT RADERMACHER

Hochschuldidaktik – Kulturelle Bildung – Methodik – Modellversuche – Pflegedidaktik und Theaterpädagogik – Projekt – Theaterpädagogischer Dienst